Die IG B2B hat mit dem EcoHub ein offenes System geschaffen, mit welchem die Branche vereinheitlicht digitalisiert wird. Sind Sie zufrieden mit dem bislang erreichten? Warum?

Grundsätzlich bin ich zufrieden; die Infrastruktur und die Basis stehen und funktionieren gut. In Sachen Nutzung bin ich aber noch nicht zufrieden. Es ist wichtig, dass mehr Nutzer und neue Services in den Hub kommen.

 

Sie haben einen Background in der Finanzwirtschaft – wo stehen wir im Vergleich?

Da ist die Versicherungsbranche weit hinter der Finanzwelt. SWIFT wurde beispielsweise bereits vor Jahrzehnten als Standard für den internationalen Zahlungsverkehr etabliert. Nur muss man sehen, dass die nationalen Gesetzgebungen in der Assekuranz zu unterschiedlich sind und ein entsprechender Need in der Branche nie gross genug war.

 

Hand aufs Herz, geht’s Ihnen schnell genug? Die Mobiliar wird in den Medien nicht von ungefähr als «Informatik-Unternehmen» bezeichnet… Werden Sie nicht ungeduldig?

Persönlich: ja. Aber ich bin realistisch genug, um zu wissen, dass wir für dieses Projekt eine mehrheitsfähige Lösung brauchen. Die Nutzung der Plattform steht im Zentrum, und die wird nicht gegeben sein, wenn die Lösung nicht von den Teilnehmern getragen wird.

 

Wie hat die Mobiliar bereits vom EcoHub profitiert?

Ich bin ketzerisch: bislang gar nicht. Die derzeit umgesetzten Funktionalitäten gab es bereits mit der Vorgängerlösung des EcoHub. Entscheidend ist, was jetzt mit dem EcoHub gemacht wird; ich sehe grosses Potential für die Assekuranz in der Schweiz.

 

Standards muss man ja erst als solche erkennen. Gibt’s Bereiche, in denen man vielleicht gar noch nicht genau genug hingeschaut hat?

Bislang haben wir Versicherungsprodukte im engeren Sinn angeschaut und zentrale Prozesse dazu standardisiert. Jetzt geht es aber auch um Zusatzprodukte rund um unsere Angebote, wie beispielsweise digitale Unterschriften als Baustein für das Versicherungsgeschäft.

 

Warum machen wir mit dem EcoHub 2021 einen weiteren Schritt?

Das technische Setting steht, die Ausgangslage ist also gut, um mit weiteren Dienstleistungspartnern neue Services anzuschliessen. Und das ist auch wichtig, denn sonst machen beispielsweise wir als Mobiliar mit der Axa Einzellösungen – und schon sind wir nicht mehr im Bereich von offenen Standards. Allerdings sind genau diese offenen Standards der Mehrwert – auf dieses System wollen wir auf keinen Fall verzichten. Mit Blick auf das internationale Umfeld sind wir in der Schweiz auf einem guten Weg.

 

Wie profitieren denn die anderen Marktteilnehmer vom EcoHub?

Man muss schon sagen, dass die grossen Versicherer und Broker die Digitalisierung erst ermöglichen. Das bietet den meisten Playern dramatische Möglichkeiten – im positiven Sinn. Natürlich können wir alle davon profitieren. Aber für die Mobiliar ist es beispielsweise nicht existenziell, dass wir keine Faxe mehr erhalten.

 

Der EcoHub ist also vor allem für die kleineren Marktteilnehmer vital?

Richtig. Die Vision des Hubs ist im Grundsatz eine wirklich sehr gute Idee. Es ist aber wichtig, dass wir als IG B2B mit dem investierten Geld kostensensitiv umgehen und einen konkreten Mehrwert für alle Teilnehmer schaffen. Wir müssen uns im Klaren sein: bisher haben die Grossen finanziert, vom Hub profitieren können bislang aber in erster Linie die Kleinen.

 

Wo’s Chancen gibt, lauern immer auch Gefahren. Wo ist am meisten Vorsicht geboten?

Wir müssen sicher aufpassen, dass wir das Ganze nicht überstandardisieren. Es ist wichtig, dass wir Firmen, die Dienstleistungen auf dem EcoHub anbieten wollen, die unternehmerische Freiheit lassen ihre Services auch kommerzialisieren zu können. Sonst bleibt unser offenes System des Hubs nicht attraktiv.

 

Ein Super-GAU wäre ein Datendiebstahl – ist diese Gefahr dank der fortschreitenden Digitalisierung grösser oder kleiner geworden?

Da bin ich der Meinung, dass man in einem branchenweiten Standard immer besser bedient ist, als wenn man sich allein um die Sicherheit kümmert. Mir ist es lieber, wenn beispielsweise 3’000 Security Engineers von Microsoft gemeinsam mit unseren Teams eine Plattform schützen, als deren Sicherheit gänzlich in die Hände unserer paar Dutzend eigenen – zugegebenermassen sehr guten – Spezialisten zu legen. Und auch regulatorisch ist man typischerweise besser aufgehoben, wenn man das als Branche anpackt, statt allein.

 

Lesen wir noch etwas im Kaffee-Satz: Welche Digitalisierungs-Themen beschäftigen uns in 10 Jahren?

Ich sehe drei Felder.

Erstens: Die Kernprodukte einer Versicherung sind eigentlich keine Hexerei. Man braucht die entsprechende Bilanz und einen Vertrieb. Sprich: ein Markteintritt wäre für neue Player relativ einfach möglich. Da spricht man häufig von den gleichen Verdächtigen, es wäre für Google beispielsweise ein relativ Leichtes, hier Fuss zu fassen. Und solche Player müssen sich keine Gedanken zur Digitalisierung machen.

Zweitens denke ich, dass die Wertschöpfungskette weiter fragmentiert wird. Bis jetzt versucht man häufig, alles aus einer Hand anzubieten. Sehr gut möglich, dass man in Zukunft mehr als «Intermediär» auftritt und Leistungen einkauft.

Und drittens macht die Entwicklung von gefragten Zusatzservices auch vor der Versicherungsbranche nicht halt. Das kennen wir bereits von anderen Branchen . Dass diese Services nur in einer digitalisierten Umgebung angeboten und möglich gemacht werden können, liegt für mich auf der Hand.

 

Thomas Kühne ist Leiter IT der Mobiliar und Mitglied der Geschäftsleitung.