Patrick Germann, Markus Lehmann, Sie wurden im September als Co-Präsidenten der IG B2B gewählt. Eine Bilanz zu ziehen, ist schwierig. Dennoch: Wie schätzen Sie den aktuellen Stand der Dinge ein?

Patrick Germann: So wichtig sind wir nun auch wieder nicht, als dass die Lage der Nation von uns massgeblich beeinflusst werden könnte, weder von uns als Präsidenten noch von der IG B2B selbst. Es ist für uns alle eine spannende Zeit, und auch eine intensive. Das aus dem Grund, weil die Digitalisierung neue Fragen aufwirft, die uns alle betreffen. Wir dürfen nicht vergessen: Die Digitalisierung kostet Geld, darum betrifft sie ja auch jeden einzelnen. Es scheint mir darum wichtig, dass wir als IG Klarheit schaffen und es uns gelingt, eine gemeinsame Richtung vorzugeben und einen gemeinsamen Wandel zu ermöglichen.

Markus Lehmann: Meine Einschätzung ist eine sehr positive. Wir stehen besser da als noch im September. Wir haben einen sehr guten neuen CEO, der seine Arbeit aufgenommen hat und unvoreingenommen an die Herausforderungen herangeht. Zudem berät mich mein Kollege Patrick Germann mit seiner Erfahrung sehr gut. Das ist für mich persönlich ebenfalls sehr wertvoll.

 

Dennoch: Ein schwieriger Moment für eine Präsidiumsübernahme…

Markus Lehmann: Absolut. Das war eine vertrackte Situation vor der Mitgliederversammlung. Man darf nicht vergessen, dass im Zuge der Digitalisierung in all den vielen auch IG unabhängigen Projekten mitunter auch Millionen in den Sand gesetzt wurden. Es geht in der Digitalisierung also um sehr viel Geld, darum müssen wir vorsichtig sein mit unserer Wortwahl und unserer Strategie.

Patrick Germann: Ich denke, dass es für so etwas nie einen einfachen oder richtigen Moment gibt. Im Spätsommer sind Fakten geschaffen worden, die einen pragmatischen und ehrlichen Lösungsvorschlag erforderten. Wir wollen die IG nach dieser Zäsur in ein ruhigeres Fahrwasser zurückführen.

 

Warum eigentlich die Co-Leitung?

Patrick Germann: Das liegt sicher auch im Wesen der IG begründet. Die Parität ist wichtig, und wir ergänzen uns in den bevorstehenden Aufgaben sehr gut.

Markus Lehmann: Dem stimme ich zu. Die IG B2B hat ein glaubwürdiges Präsidium, das die Interessen der ganzen Branche vertritt.

 

Böse Zungen würden sagen: ein rein politischer Entscheid …

Patrick Germann: Das greift zu kurz, dieses Doppelpräsidium hat viele Vorteile. Der ganze Vorstand arbeitet ehrenamtlich. Da ist es gut, wenn die Aufgaben auch optimal verteilt werden können. Zudem haben wir mit unseren unterschiedlichen Hintergründen unterschiedliche Stärken und können diese zum Vorteil der IG einsetzen.

Markus Lehmann: Aber ja, man kann das schon auch als politisch auffassen. Ich würde es jedoch lösungs- und konsensorientiert nennen.

 

Lähmt die Konsensorientierung nicht den Fortschritt der Branche?

Markus Lehmann: Das Gegenteil ist der Fall. Diese Konsensorientierung befruchtet, auch wenn manchmal rechtliche Fragen quasi «z’Bode» diskutiert werden. Zudem herrscht bei uns das Kollegialitätsprinzip, wo wir im Vorstand im Sinn und Geist der ganzen Branche arbeiten. Das heisst für uns, dass wir viele Gespräche führen und uns verschiedenen Herausforderungen stellen müssen. Aber so kommts gut!

Patrick Germann: Und ob uns das hindert oder nicht, das ist eigentlich gar nicht die Frage. Wir arbeiten möglichst effizient, und es ist ja nicht so, dass jeder Entscheid basisdemokratisch bei den Mitgliedern abgeholt wird. Wir erarbeiten Lösungen, können Entscheide fällen und stehen auch vor unseren Mitgliedern dafür gerade. Wäre ein anderes Setup schneller? Ja, vielleicht. Aber sicher nicht a priori besser.

 

An Effizienzsteigerung kann sich ja wirklich niemand stören. Bereits heute profitieren beide Seiten von dieser Zusammenarbeit. Dass das Potenzial nicht bloss Theorie ist, zeigt auch eine aktuelle Mitgliederbefragung (Link) sowie die Berechnung des Wertangebots durch die IG B2B. Ein Topperformer beziffert den Effizienzgewinn mit IG Standards auf CHF 1,8 Mio. im Jahr. Wie ordnen Sie persönlich diese Leistung ein? Was wäre Ihre Zielvorgabe für die Zukunft?

Patrick Germann: Ja, dieser Wert ist klar vorhanden. Die Wahrnehmung ist jedoch oft eine andere, und genau das ist auch gefährlich für zukünftige Investitionen. Erstens nimmt man gewisse Standards als selbstverständlich hin. Das Wertpotenzial ist darum zwar real, aber zugleich hypothetisch. Und zweitens sind alle Implementationen immer auch mit Kosten verbunden. Fakt ist jedoch: Zurück will keiner, und eine Alternative zur Digitalisierung hat auch niemand. Diese Investitionen müssen wir darum auch in Zukunft tätigen, und wer das nicht macht, wird es schwierig haben. Die technische Integrationstiefe ist für den Effizienzgewinn essenziell. Da sind wir jetzt alle gefordert, unsere Systeme schnellstmöglich zukunftsfähig zu machen.

 

Auf der anderen Seite stehen bekanntlich die Broker. Ein Brokerunternehmen mit fünf Mitarbeitenden erreicht umgerechnet einen Zeitgewinn von rund 18 Personentagen im Jahr. Diese zusätzliche Zeit kann der Broker beispielsweise für seine Kunden einsetzen. Wie ordnen Sie persönlich diese Leistung ein?

Markus Lehmann: Für mich sind diese Zahlen ein klares Indiz von Mehrwert! Der Markt hat sich grundsätzlich verändert, Brokern wird immer mehr Administrationsarbeit abverlangt, Stichworte VAG, VVG oder sogar kommende Ombudsstellen. Gegen diese Mehraufwände für die Broker wehrt sich beispielsweise auch die SIBA. Es ist aber trotzdem klar, dass der Aufwand sicher nicht geringer wird in den kommenden Jahren. Man darf den Digitalisierungszug darum auf keinen Fall verpassen. Es ist zwar sicher so, dass man durch die Digitalisierung kurzfristig keine Kunden gewinnt, aber man wird sie mittelfristig verlieren, wenn man sein Unternehmen oder seine Services nicht digitalisiert.

 

Sie haben Ihre Absicht geäussert, das Amt nur bis zur nächsten Mitgliederversammlung ausüben zu wollen. Weshalb werden Sie es vielleicht trotzdem länger machen?

Markus Lehmann: Ich bin kein «Ämterhascher» und will mich darum auch nicht definitiv auf einen Zeitpunkt festlegen. Ich habe gern Erfolg, und mir geht es darum, dass wir unsere Aufgabe, die Patrick und ich an der Mitgliederversammlung angetreten haben und die für mich durchaus eine Herausforderung ist, erfüllen. Ich hoffe, wir können an der nächsten Versammlung eine neue Ära für die IG B2B lancieren.

Patrick Germann: Ich bin nun seit 2014 im Vorstand, und wir müssen jedes Jahr von der Mitgliederversammlung wiedergewählt werden. Insofern kann man uns auch jedes Jahr abwählen. Unsere Kandidatur war ein pragmatischer, ehrlicher Lösungsvorschlag in einer herausfordernden Situation. Wir wollen weder uns noch diese Lösung zementieren. Wichtig wird die Frage sein: Was ist im Mai 2022 die beste Lösung für die Zukunft? Und diese Lösung werden wir dann auch anstreben.

 

Und wo setzen Sie bis dahin die Akzente?

Markus Lehmann (lacht): In ganz vielen Sitzungen. Wir wollen Lösungen finden für die IG, EcoHub sowie den Marktplatz und dabei die Finanzierung sicherstellen. Da hilft mir meine Erfahrung mit politischen Parteien und Behörden. Ich fühle mich aktuell vorwiegend in einer diplomatischen Funktion. Ich finde es ganz wichtig, dass wir immer wieder den richtigen Ton finden und nie die Gespräche abbrechen, denn das Miteinander bringt den Erfolg.

Patrick Germann: Wir haben an der Mitgliederversammlung den Auftrag erhalten, uns mit den vier Versicherern an einen Tisch zu setzen und zu evaluieren, wie eine Organisationsstruktur aussehen kann. Diese Struktur soll eine breite Akzeptanz finden und wieder alle ins Boot holen. Mit unserem neuen CEO, dem neuen CTO und der erfahrenen Geschäftsstelle wollen wir weiterhin das Richtige machen und mit dem neu gewonnen Know-how nachhaltig operieren. Und falls nötig, suchen wir bis Mai auch die Nachfolge für ein neues Präsidium.

 

Was wäre Ihr Wunsch für 2022?

Markus Lehmann (schmunzelt): Gesund bleiben, normal leben können und dass der FCB mal wieder Meister wird. Und auf die IG B2B bezogen: Wir wollen der IG B2B Schwung verleihen und die ganze Branche davon überzeugen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.

Patrick Germann: Dem schliesse ich mich an. Wir wollen Brücken bauen und Vollgas geben. Es braucht Klarheit über Strukturen und Aufgaben der IG B2B, und gleichzeitig arbeiten wir an der Zukunft im Auftrag unserer Mitglieder. Und was den Wunsch von Markus bezüglich Meistertitel angeht, wünsche ich mir diesen in erster Linie für die IG B2B und unsere Branche.